Der historische Hintergrund von »Wie man ein Genie tötet«
© ÖNB
Was gibt’s denn Neues?
Aus einem Künstlerleben.
Originalbericht des
Illustrirten Wiener Extrablatts
Wien, Montag, 26. Mai 1884
Auszüge:
»Heute wollen wir an der Hand authentischer Daten unseren Lesern die traurige Geschichte erzählen, wie in dem großen, schönen Wien ein junger, hochbegabter Künstler halb verhungerte.«
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»Sein ganzes Monatseinkommen betrug – sechs Gulden; diese bezog er in seiner Eigenschaft als Organist an der Piaristen-Kirche in der Josephstadt. Zu stolz, um Jemanden in seine furchtbare Lage einzuweihen und so Hilfe zu erbetteln – hungerte er wacker darauf los, und so kam es, daß er eines Tages in sein Tagebuch folgende Zeilen schreiben konnte: ›Heute der dritte Tag, daß ich nichts zu essen habe – wann wird Hilfe kommen?‹«
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»Durch Vermittlung eines Professors am Conservatorium hatte Rott den Antrag erhalten, als Kapellmeister eine große Concert-Tournée durch Frankreich, Belgien, Deutschland zu machen. Die Abreise sollte bereits am nächsten Tage erfolgen und zitternd vor freudiger Aufregung sagte Rott zu.
Am Westbahnhofe fand sich die Gesellschaft zusammen und Rott befand sich in einer derartigen Aufregung, daß es allgemein auffiel.
Doch die Sache sollte noch schlimmer kommen. Kaum hatte der Zug die Station Penzing passirt, da begann der neue Kapellmeister irre zu reden und schließlich zu toben, so daß er auswaggonirt und zurück nach Wien auf das Beobachtungs-Zimmer gebracht werden mußte.
Die furchtbaren, aufreibenden Sorgen um das tägliche Brod, die vielfachen traurigen und freudigen Aufregungen der letzten Tage hatten seinen Geist umnachtet und er wurde der Irrenanstalt übergeben – als unheilbar.«
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»Die matten Augen tief in den Höhlen, das Gesicht von einer erschreckenden Blässe bedeckt, auf dem Kopfe, den früher reiche Locken schmückten, eine Glatze, so sieht der von einem furchtbaren Geschicke zu Boden geschmetterte, so reich begabte und vielversprechende Künstler aus.«
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»Da ertönen die Weisen des Donauwalzers, die Rott nach Schülerart spielt; plötzlich verstummt das Spiel, er läßt den Kopf langsam auf die Brust sinken und starrt ausdruckslos auf den Fußboden.«
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»Nur manchmal noch blitzt ein Funke des alten Feuers in seinen großen Augen auf, dann eilt er zum Clavier, wilde Accorde den zitternden Saiten entlockend, dann durchklingen jene mächtigen Melodien seines unsterblichen Meisters Richard Wagner den Raum, ein wildes Potpourri voll Leidenschaft und furchtbaren Schmerzes. Doch wenn der Paroxysmus vorbei, dann sinkt er thränenüberströmt zusammen.«